Letzte Beiträge

Archiv


« | Main | »

Suche nach einer liberalen Partei

By Flo | Juni 13, 2009

Die Europawahlen liegen jetzt ja hinter uns, und ich musste wieder einmal feststellen, dass keine der etablierten Parteien ernsthaft liberale Themen verfolgt. Natürlich macht die FDP mit dem Wort „liberal“ Werbung, Allerdings dürfte sich deren Liberalismus-Begriff von dem meinen deutlich zu unterscheiden.

Der FDP scheint es hautsächlich darum zu gehen, dass die Wirtschaftsunternehmen völlig frei und unreguliert agieren können. Andere liberale Themen werden im Zweifel dem Willen zur Macht geopfert (siehe z.B der große Lauschangriff, der von der FDP-Basis mit fast einer 2/3-Mehrheit gebilligt wurde).

Für mich bedeutet Liberalismus aber etwas völlig anderes. Für mich geht es um die Freiheit des einzelnen, sich entfalten zu können. Dazu gehört zwingend, dass der Aufbau von Strukturen zu Kontrolle und Zwang verhindert wird. Der Ausbau des Überwachungsstaats, Zensur, Einsatz des Militärs gegen die eigene Bevölkerung oder der Aufbau einer Geheimpolizei durch Verschmelzung von Polizei und Geheimdiensten sollte jeden Demokraten, aber insbesondere jeden freiheitsliebenden Liberalen zu einem Aufschrei der Empörung bringen. All diese Projekte stehen auf der Agenda der aktuellen Bundesregierung, aber besonders laut kam ein solcher Aufschrei der parlamentarischen Opposition bei mir nicht an. Aber genau deshalb suche ich nach einer liberalen Partei – jemand sollte die Demokratie retten, bevor sie zerbricht.

Desweiteren gehört zu einer freien Gesellschaft die Bekämpfung von Korruption, denn sonst ist sie nur auf dem Papier frei. Korruption wird durch große, zentralistische Strukturen begünstigt, denn dann gibt es eine wenige Personen in Schlüsselpositionen, die beeinflußt werden können. Die FDP möchte nun einen schwachen Staat, der möglichst wenig Macht konzentriert. So weit so gut. Doch was ist mit den Großkonzernen, von denen einige mehr Geld umsetzen als das Bruttosozialprodukt einiger Länder? Was ist mit den Banken, die jetzt teuer von der Allgemeinheit gerettet werden müssen, da sie zu groß und wichtig sind, als dass man sie untergehen lassen könnte? Sie wurden bekanntlich von risiko-affinen Managern, die hauptsächlich an Ihre Prämie dachten, an den Rand des Ruins getrieben. Das mag zwar offiziell keine Korruption sein, da die Vorgänge größtenteils legal waren. Gerade hier müßte aber der Staat regulierend eingreifen, und verhindern, dass in Unternehmen (die ja ansonsten keiner demokratischen Kontrolle unterliegen), durch schiere Größe zu viel Macht angehäuft wird. Selbst wenn es die Freiheit des Unternehmens einschränkt, was erfahrungsgemäß der FDP missfallen würde. Aber ein Unternehmen ist kein Individuum!

Dann gibt es natürlich noch die Grünen, die auch liberale Standpunkte vertreten. Die Grünen sind jedoch ein sehr inhomogener Haufen, deren Hauptfokus auf Umweltthemen liegt. Natürlich ist die Umwelt ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, aber da ich die Befürchtung hege, dass wir in den nächsten Jahren in noch mehr Krisen hineinschlittern werden (siehe zum Beispiel „The Upside of Down“), würde ich zumindest kurzfristig der Stärkung der Demokratie Vorrang geben, da es ohne eine starke, freiheitliche und offene Demokratie schwer bis unmöglich wird, die vor uns liegenden Probleme offensiv und gerecht anzugehen.

So, da habe ich nun über mangelnde Alternativen geschimpft. Aber ich meine, einen kleinen Hoffnungsfunken gefunden zu haben: die Piratenpartei.
Der Name ist natürlich erstmal political incorrect, und man mag darüber streiten, ob das eine gute Wahl war. Die Hauptthemen sind im Augenblick: Verhinderung des Überwachungsstaats, gegen Zensur, für eine Reform des Urherberrechts und Patentwesens, für mehr Datenschutz und für mehr Transparenz in der Verwaltung. Zusätzlich haben sie sich gegen den Bundeswehreinsatz im Inneren positioniert, der mir bekanntlich ebenfalls Bauchschmerzen bereitet. Zum größten Teil also echt liberale Themen, wie sie auch in diesem Artikel angeschnitten werden. Trotzdem ist das Themenspektrum offensichtlich relativ begrenzt. Dies ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass die Partei noch sehr jung ist. Die erste bundesweite Wahl an der sie teilgenommen haben, war jetzt die Europawahl letzte Woche. Dort haben sie aus dem Stand 0.9% der Stimmen geholt, was für eine neue Kleinpartei mit einem solch obskuren Namen doch recht ansehlich ist.
Es könnte also spannend sein, wie sich die Piratenpartei auch inhatlich bis zur Bundestagswahl entwickelt.

Topics: Gesellschaft, Politik

Comments are closed.