« Euro-Bonds | Main | Leistungsschutzrecht »
Land of the Free
By Flo | Januar 15, 2012
In den letzten Monaten war ich etwas zurückhaltender beim Bloggen. Dies könnt Ihr darauf zurückführen, dass die meisten Themen, die mich interessieren, aus meiner Sicht ausreichend durch die Mainstream-Medien behandelt wurden und mir in diesem Blog ein hohes Signal-zu-Rausch-Verhältnis wichtig ist. Allerdings gab es kürzlich in den USA Entwicklungen, die von den großen Medien fast vollständig ignoriert wurden, auch und gerade in den USA.
So hat Präsident Obama am 31.12.2011, also taktisch klug an Silvester, als alle mit Feiern beschäftigt waren, den NDAA in Kraft gesetzt. Wenn Ihr noch nie davon gehört habt, seid Ihr in bester Gesellschaft, da kaum darüber berichtet wurde. Eine Google-Suche führt fast nur auf den ersten Blick dubiose Seiten zu Tage. Kurz gesagt, erlaubt der NDAA das unbeschränkte Wegsperren von US-Bürgern, wenn sie im Verdacht stehen, mit Terroristen zusammen zu arbeiten. Jetzt werdet Ihr vielleicht einwenden, dass das bei Terroristen doch in Ordnung ist. Aber diesem Gesetz geht es um den bloßen Verdacht durch die US-Regierung. Es gibt keine Regel, dass dieser begründet werden muss, oder dass das Opfer sich gerichtlich dagegen wehren kann. Es wird einfach weggesperrt, ohne das Recht dazu angehört zu werden, auf einen Anwalt oder gar ein wie auch immer geartetes Verfahren, in dem die Anschuldigungen überprüft werden könnten.
Dem US-Präsidenten werden damit Mittel zur Verfügung gestellt, wie sie sonst nur in Diktaturen üblich sind. Der Unterschied zur Praxis in Guantanamo ist klein aber signifikant. Bisher konnten nur Ausländer weggesperrt werden. Die Mächtigen in den USA müssen aber das Ausland nicht ernsthaft fürchten, denn dazu ist das Militär viel zu stark. Gefährlich könnte Ihnen nur eine inneramerikanische Bewegung werden. Wie zum Beispiel Occupy Wallstreet, das sich gegen die Macht des Bankenkartells richtet.
Natürlich hat Obama gesagt, dass er dieses Gesetz nur mit großen Bauchschmerzen unterschreibt, weil er von den Republikanern dazu gezwungen würde. Zudem habe er nicht vor, das Gesetz anzuwenden. Aber wie Ihr in diesem Video auf www.youtube.com/watch?v=q6ARkiJM2bA erkennen könnt, hat die US-Regierung selbst darauf bestanden, US-Bürger nicht von der Regelung auszuschließen.
Nun ist es so, dass der NDAA ziemlich schwammig und verwirrend formuliert ist. Dies hat zwei Auswirkungen: erstens kann man argumentieren, dass dies alles nicht so gemeint ist, und paranoide Laien ihn lediglich fehlinterpretieren (und diese Schiene wird natürlich gefahren). Allerdings interpretieren ihn auch Rechts-Professoren so wie oben beschrieben, und zwar in der angesehenen Washington Post. Zum zweiten könnten die Unklarheiten in der Formulierung vielleicht dazu führen, dass Betroffene erfolgreich dagegen klagen können. Leider wäre es dann zu spät, da Betroffene ja keinen Anwalt oder Prozess bekommen.
Spannend ist jedenfalls, dass es in den USA zu keinerlei öffentlicher Debatte in den großen Medien gekommen ist (sieht man von vereinzelten Ausnahmen, wie dem oben verlinkten, erst zwei Wochen nach der Verabschiedung des Gesetzes geschrieben Meinungsartikel aus der Washington Post ab). Sucht einfach mal auf Google-News nach NDAA. Da taucht quasi nichts auf, was von den großen Nachrichtensendern oder Zeitungen stammt.
Der NDAA ist aber nicht das einzige fragwürdige Gesetz, über das gerade (nicht) diskutiert wird. Das zweite ist der sogenannte Enemy Exparitation Act. Es ist noch nicht verabschiedet, würde es aber erlauben, US-Bürger (wiederum ohne gerichtliche Verurteilung) auszubürgen. Damit könnten über den Umweg der Ausbürgerung US-Amerikaner auch bei bürgerfreundlicher Interpretation des NDAA ganz legal nach Guantanamo verfrachtet werden. Schade dass sich auch hierzu kaum Medienecho findet.
Bleibt nur zu hoffen, dass das Land of the Free sich wieder auf seine alten Werte besinnt, und eine echte Opposition gegen diese Art von Gesetzen hervorbringt. Auf die Unterstützung der Medien können sich die Amerikaner dabei diesmal allerdings nicht verlassen.
Topics: Politik
Comments are closed.